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Geisterstunde

Eine der wahrscheinlich ältesten Branchen der Menschheit ist das Theater. Das Schauspiel und die Schaustellerei überlebten ihre Begründer im antiken Griechenland, die zahlreichen Feuer an mittelalterlichen Theatern und die unzähligen Kriege, welche die Menschen führten – und mit ihnen überlebten auch die Theatergeister. Denn kaum eine Berufsgruppe ist in ihrer Gesamtheit so abergläubisch wie Schauspieler. Um den Erfolg der Vorstellung oder gar das eigene Leben nicht zu gefährden, verfolgen viele von ihnen akribisch die absurdesten Regeln.

So darf am Theater außerhalb einer Aufführung zum Beispiel nicht gepfiffen werden. Für diese Regel gibt es zwei verschiedene Erklärungen. Zum einen galt Pfeifen früher als Signal für eine auslaufende Gaslampe, was in den leicht brennbaren Theatern verheerende Folgen haben konnten. Außerdem arbeiteten zum Teil Hafenarbeiter am Aufbau und Umräumen der Requisiten. Da sie sich mithilfe von Pfeifsignalen verständigten, konnte ein fremder Pfiff sie durcheinander bringen und zu Fehlern beim Bühnenaufbau führen.

Weiterhin sollte auf einer verlassenen Bühne über Nacht stets eine Lampe brennen. Ursprünglich sollte sie den Geistern am Theater die Nacht erhellen, später bekam das aber auch pragmatische Gründe: brannte ein kleines Licht, so musste der Bühnenarbeiter, der morgens als erster erschien, nicht im völliger Dunkelheit über die Bühne und zum Lichtschalter stolpern.

Neben diesen durchaus logisch begründeten Theaterregeln existiert auch eine ganze Reihe seltsamer, scheinbar wahlloser Bräuche – und trotzdem geht niemand das Risiko ein. So darf man zum Beispiel die Bühne nicht überqueren, wenn man seinen privaten Mantel trägt, Pfauenfedern, echte Blumen und Spiegel sollten nicht zu Requisiten oder Bühnenbild gehören, bei der Generalprobe wird grundsätzlich nicht geklatscht und auf der Bühne privat gegessen oder getrunken erst recht nicht. Die wichtigste dieser wirklich nur auf Aberglaube beruhenden Regeln wird aber erst unmittelbar vor der Premiere relevant: auf gar keinen Fall darf man seinem Spielpartner “Viel Glück” wünschen, denn die Theatergeister machen sich einen Spaß daraus, die Worte der Schauspieler umzudrehen. Üblich ist stattdessen “Toi, toi, toi”, ein symbolisches Über-Die-Schulter-Spucken. Damit ist es aber noch nicht getan, denn auch wer sich daraufhin noch bedankt, schwebt in großer Gefahr. Alternativen sind “Wird schon schief gehen” oder auch ein simples “Viel Spaß!”

Die wiederum fantastischste – aber auch gefürchtetste – Regel geht auf den guten alten Shakespeare zurück: auf seinem Drama “Macbeth” lastet angeblich ein Fluch. Wird der Name Macbeth in einem Theater gesprochen, so werden die drei Hexen aus ebendiesem Drama das Theater heimsuchen. Um das zu vermeiden, nennt man das Stück im Theaterbetrieb üblicherweise “Das schottische Stück”. Sollte einem Schauspieler doch einmal ein Fehler unterlaufen, so gibt es eine Möglichkeit, um den Fluch rückgängig zu machen: man verlässt das Theater, umrundet dreimal das Gebäude und bittet dann unterwürfig bei den Theatergeistern um Einlass.

Viele dieser Regeln klingen absurd, ob sie das auch sind, sei nun dahin gestellt. Eins ist aber sicher, Theatergeister hin oder her: das Risiko geht man am Ende doch lieber nicht ein.

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