
Aus dem Tagebuch einer Abiturientin
17.04.2018
Liebes Tagebuch,
in zwei Tagen hab ich meine erste Abiturprüfung. Englisch. Eigentlich mache ich mir keine Sorgen darum, lernen kann ich ja eh nicht allzu viel im Gegensatz zu Mathe. Deutsch ist ja auch bald! Und dann nochkommen die mündlichen Prüfungen. Die Mottowoche kann ich also auch nicht richtig genießen, viel zu viel zu lernen. Auch wenn es wirklich Spaß gemacht hat, sich zu verkleiden, und einfach die Meinungen der anderen dazu zu ignorieren. Im Hinterkopf aber ständig zu haben, dass die Prüfungen bald anfangen, nimmt der Sache den Spaß ein wenig… Es ist demnach auch nur ein schwacher Trost, dass man einige Fächer nicht wieder hat. Ein Trost der auch Angst macht, ich kann mir gar nicht vorstellen keine Schule mehr zu haben. Nie wieder mit meinen Freunden in den Pausen Sandwichs zu essen, mich nie wieder über einige Lehrer aufregen, nie wieder hektisch kurz vor der Klausur noch Spicker schreiben (die ich natürlich niiiiieeeee eingesetzt hab 😉 ), nie wieder in der Freistunde zu Norma gehen und Kaffee (oder so) kaufen, … Wenn ich so darüber nachdenke werde ich es vielleicht doch vermissen. Eigentlich dachte ich, dass ich mich darüber freuen werde. Endlich frei zu sein, nicht mehr so früh aufzustehen (zumindest bis ich Uni hab) und endlich einige Leute nicht mehr sehen zu müssen, … Aber jetzt so kurz davor packt mich die blanke Angst. Ich stehe vor einer Wand, gebaut aus Prüfungen, Angst und Stress. Ein Blick hinter diese Wand scheint unmöglich, sie zu erklimmen nur sehr schwer möglich. Diese frühere Euphorie scheint wie weggeblasen, langsam wird es ernst. Die Frage, ob es danach besser wird hätte ich früher mit JA beantwortet. Jetzt bin ich mir sehr unsicher. Die frühere Sicherheit, was ich werden möchte scheint sich genauso aufgelöst zu haben. Ist der Beruf wirklich das, was ich machen möchte? Hab ich mir das auch gut genug überlegt? Zu einer Antwort komme ich nicht, die Angst und der Stress sind viel zu groß. Vielleicht muss ich auch gar nicht so viel Angst haben, die meisten Lehrer haben sich ja wirklich Mühe gegeben uns gut darauf vorzubereiten. Die Angst überwiegt dann doch. Besonders wenn man den Druck hat, einen bestimmten Durchschnitt zu erreichen um dem NC der Uni gerecht zu werden. Was passiert wenn ich das nicht schaffe? Ich meine, das FSJ hab ich ja auch noch nicht sicher, was wenn ich das auch nicht bekomme? Dann steh ich da und hab absolut keine Ahnung wie ich mich an der Uni bewerbe. Zum Glück habe ich da ja meine große Schwester, die hat das alles schon hinter sich… Hoffentlich werde ich genauso gut wie sie, vielleicht auch besser! Dieser doofe Anspruch an mich selbst, eine 1 vor dem Komma zu haben. Ich mein ich wünsche mir schon seit der fünften Klasse auf dieser Liste im Schulhaus zu stehen. Hoffentlich schaffe ich das. Aber wann soll ich denn lernen? Ich muss nebenbei auch noch etwas arbeiten, darf meine Freunde und meine Familie nicht vernachlässigen und nicht allzu sehr im Stress stehen. Natürlich muss ich das alles nicht wirklich machen, aber das ist der Anspruch an mich. Und irgendwie kann ich den nicht lockern. Andere schaffen das ja auch, warum also ich nicht? Ich muss nur früh genug anfangen zu lernen.. “Hätte anfangen müssen zu lernen” passt glaube ich besser, weil einige Prüfungstermine sind ja noch nicht mal mehr bekannt… Aber nein, ich Idiotin wache erst so richtig nach auf, nachdem ich meine Kennziffer und die Belehrung bekommen hab. Selbst dran Schuld… Wobei ich ja schon seit Wochen lerne und dennoch das Gefühl habe nichts bzw. zu wenig zu wissen. Was soll ich nur machen? Mehr als zu lernen kann ich ja nicht machen. Ach egal, irgendwie schaffe ich das. Schon hunderte Schüler vor mir und mit mir schaffen das ja auch…


2 Comments
MB
Sehr gut und nachvollziehbar geschilderte Erfahrungen. Vielen Dank dafür!
Ich habe vor mittlerweile 12 Jahren das Abi am WHS gemacht (Gott, bin ich alt geworden) und ich habe damals ähnlich empfunden. Im Rückblick habe ich jedoch festgestellt, dass viele Sorgen, die ich mir damals gemacht habe, nicht nötig gewesen wären. Warum? Nun ja, es gibt im Leben immer mehr als eine Chance. Klappt das Abitur mit dem gewünschten Schnitt nicht, dann ist das vielleicht schmerzhaft, aber kein Weltuntergang. Wenn man sich für die Hochschullaufbahn entscheidet wird dieses Gefühl Alltag und zu diesem Alltag gehört auch, einmal nicht so erfolgreich zu sein, vielleicht sogar bei einer Prüfung durchzufallen. Nach Semesterklausuren, Zwischenprüfung, Staatsexamen, Magisterprüfung und Fachprüfungen kann ich auch bestätigen, dass das Gefühl rein garnichts oder verdammt wenig zu wissen, normal ist. Es bewahrt uns alle vor Höhenflügen und der gefährlichen Unterschätzung der Herausforderung. Und es ist leider auch ein Teil der Realität; man kann nicht alles wissen.
Insgesamt kommt es meiner Meinung nach auf die richtige Mischung aus Vorbereitung-Ehrgeiz-Selbstvertrauen und der nötigen Fokussierung an. Bei Letzterem gilt: eine Tasse Tee/Kaffee trinken und die Dinge auf sich zukommen lassen, um sie dann zu erschlagen ;).
Ich wünsche viel Erfolg und es ist mir immer eine Freude hier von meiner ehemaligen Schule zu lesen.
lissi
Vielen Dank für die motivierenden Worte! Dir auch noch viel Glück in deinem weiteren Leben! 🙂