
Versuch? Irrtum!
Die Aushänge im Schulhaus haben wohl die meisten gesehen: “Stimme jetzt für eine bewegte Schulzukunft unserer Kinder und Jugendlichen”.
Der Hintergrund des Aushangs ist eine geplante Kürzung der Sportstunden in Sachsen, er verweist auf eine Petition des Sportlehrerverbandes Sachsen, die diesem Vorhaben entgegenwirken soll. Tatsächlich ist aber nicht nur der Sportunterricht betroffen, auch die Präsenz von Kunst, Musik und der zweiten Fremdsprache in unseren Stundenplänen wird von CDU und SPD verhandelt. Als Begründung wird angeführt, dass man versuche, die Schüler zu entlasten, indem man die übervollen Lehrpläne überarbeite und bestimmte Fächer in einigen Klassenstufen auf zwei Wochenstunden reduziere. Man wolle politische und Medienbildung stärken, die Stundentafeln aber nicht weiter füllen. Als Nebeneffekt ergibt sich aus diesen diskutierten Ansätzen – den noch sind sie das ja, es wurde noch keine endgültige Entscheidung getroffen – eine zumindest temporäre Entlastung im Bezug auf das Lehrerproblem. Denn wenn weniger Unterricht gehalten wird, dann benötigt man natürlich auch weniger Lehrpersonal.
Die Frage, die seit Dienstag nun allerdings immer wieder in den Pausen diskutiert wurde ist folgende: Warum denn bitte ausgerechnet Kunst, Musik, Sport und Sprachen? Denn ganz ehrlich, dass sind jetzt nicht unbedingt die Fächer, die mich so sehr belasten, im Gegenteil, dies sind die wenigen Stunden, in denen man im Schulalltag die Möglichkeit hat, von Formeln, Struktur und Analyse wegzukommen. Obwohl die Argumente für eine Stundenkürzung durchaus einleuchten und sich auch niemand über eine Entlastung beschweren würde, so trifft ausgerechnet dieser Vorschlag auf sehr viel Gegenwehr. Cornelia Falken, die bildungspolitische Sprecherin der Linken kritisiert, dass man ausgerechnet die Fächer kürzen wolle, die im sächsischen Bildungssystem eh schon stiefmütterlich behandelt werden.
Und eine weitere Sache ist bei dieser Diskussion widersprüchlich: man versucht, dem Lehrermangel entgegenzuwirken – die Lehrer fehlen allerdings vor allem im naturwissenschaftichen Bereich, in Mathe, in Chemie, in Physik. Natürlich soll auch in diesen Fächern der Lehrplan überarbeitet werden, kündigt die SPD an, die aktuellen Überlegungen werden aber durch diesen Widerspruch definitiv nicht unterstützt.
Das Problem ist das folgende: Schule muss, trotz allen persönlichkeitsbildenden und erzieherischen Aufgaben, die sie hat, den Schüler für eine Ausbildung fit machen. Das bedeutet also, dass “Qualität und Quantität des Kernfachbereiches als eine wichtige Grundlage zu erhalten” sind, wie es das Kultusministerium formuliert. Und Kernfächer, das sind eben Fächer wie Mathe und Deutsch, gerade die Fächer, deren Lehrpläne eine gründliche Überarbeitung nötig hätten.
Einen Ansatz, die Proteste zu beruhigen, gibt es auch schon: Kunst, Musik, Sport, Sprachen, diese Fächer können ja auch, in Teilen, in Ganztagsangebote ausgelagert werden. Denn wenn die Schüler einen weniger vollen Stundenplan haben, dann haben sie auch mehr Zeit, um das GTA-Angebot ihrer Schulen in Anspruch zu nehmen. Und ich verstehe das, denn über die Ganztagsangebote hätte man auch die Möglichkeit, das ewige Volleyballspiel und Turnen im Sportunterricht um – sozusagen – exotischere Sportarten zu erweitern, man könnte sich mehr Zeit nehmen für die praktische Seite der Kunst, als bisher möglich ist. Aber Unterricht auf freiwilliger Basis? Das wird nicht funktionieren. Einige Schüler legen ja schon ihre Schulpflicht sehr kreativ aus. Außerdem ist dieser Vorschlag auch eine kleine Beleidigung für die entsprechenden Fachbereiche, es verstärkt den Eindruck, dass diese “persönlichkeitsbildenden Fächer”, wie die Falken sie nennt, den Status eines richtigen Unterrichtsfachs gar nicht verdienen.
Ich empfehle also den diskutierenden Parteien, diesen Ansatz noch einmal gründlich zu überdenken. Ich persönlich halte ihn nicht nur für wenig sinnvoll im Bezug auf das angestrebte Ziel – Lehrermangel bekämpfen und Schüler entlasten -, das Signal, das dieser Vorschlag sendet, ist auch völlig falsch. Die Schule sollte umfassend bilden, sie sollte Einblicke geben und Interessen ausbilden. Aber dazu gehören eben auch die Künste, Sport und Sprachen und nicht nur die MINT-Fächer.

