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Die Sache mit dem Müll

“Besser, schöner, größer”, eine bessere Zusammenfassung der aktuellen technischen Entwicklungen in unserer Welt gibt es nicht. Aber jeder neue, noch großartigere Computer, jedes noch schmalere Handy, jeder noch beeindruckendere Fernseher bringt ein großes Problem mit sich: ein ausgelaufenes Modell, das dann häufig im Müll landet. Auf den ersten Blick nicht schlimm, oder?

Ja, wenn dieser Müll auch auf lokalen Deponien recyclet werden würde und die teilweise hochgiftigen Bestandteile im Inneren der Elektronikware ordnungsgemäß entsorgt werden würden. Stattdessen werden jährlich mehr als neun Millionen Tonnen elektronischen Abfalls nach Indien, China und an die Elfenbeinküste verschifft. Prinzipiell ist das Verschicken gebrauchter Telefone, Computer oder Fernseher an Entwicklungsländer nicht verboten, die Voraussetzung dafür ist aber, dass die Geräte noch funktionieren. Der sogenannte “e-Waste” wird an seinem Zielort aber lediglich auf Deponien abgeladen. Diese Variante, den unliebsamen Abfall loszuwerden, ist wesentlich billiger, als ihn in der Heimat aufzuarbeiten und wiederzuverwenden.

Diese Mülldeponien werden hauptsächlich von Kindern besucht – sie durchkämmen den Müll nach wertvollen Materialien, entfernen teilweise nur mit Steinen und Stöcken Kupfer oder Aluminium aus den Geräten, alles nur für ein kleines bisschen Geld. Ihnen ist dabei nicht klar, dass sie sich selbst vergiften.

Das ethische Dilemma, das daraus folgt, ist altbekannt. Schicken wir den Müll dorthin, so werden diese Kinder vergiftet. Verschiffen wir den Müll aber nicht in diese Länder, so wird den dort lebenden Kindern ihre möglicherweise letzte Existenzgrundlage entzogen. Eine mögliche Lösung sieht wie folgt aus: der Müll wird weiterhin in Entwicklungsländer gebracht, diesmal aber auf legalem Wege. Anstelle der Mülldeponien entstehen kleine oder größere Werkstätten, in denen die Kinder, anstatt die wenigen wertvollen Reste der Elektroware zu klauen, die Geräte reparieren und weiterverkaufen – natürlich unter sicheren Bedingungen. Das schafft Jobs und befreit die Kinder und ihre Familien aus einem tödlichen Kreislauf. Und: um den Menschen in Entwicklungsländern von Nutzen zu sein, müssen die Geräte nicht mal mehr im Ganzen funktionieren. Einzelteile werden als Ersatzteile verwendet oder komplett neu verbaut.

Sollte dieses Projekt tatsächlich umgesetzt werden, müssten die Industrienationen investieren. Die Zeit der billigen Müllentsorgung wäre vorbei, stattdessen eröffnen sich neue Chancen für Menschen, die ihr Leben lang um ihre Existenz kämpfen müssen. Denn wenn wir schon selber nicht bereit sind, die durchschnittliche Gebauchsdauer unserer Fernseher, Laptops und Telefone – im Moment liegt sie bei etwa 18 Monaten – anzuheben, so sollten wir wenigstens anderen Menschen eröffnen, das Beste aus unserem “Abfall” zu machen.

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