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Weihnachten bei unseren Nachbarn: Polen

Für viele Deutsche gehören zu einem perfekten Heiligabend ein Essen mit Kartoffelsalat und Würstchen, ein bunt geschmückter Weihnachtsbaum und ein provisorischer Kirchenbesuch mit Krippenspiel. Doch wie sieht das in anderen Ländern aus? Da meine Mutter aus Polen kommt und ich mit zwei Kulturen aufgewachsen bin, möchte ich euch heute darüber berichten, wie wir in Polen Weihnachten feiern!

Polen ist ein stark katholisch geprägtes Land. Das Weihnachtsfest wird auf polnisch als “Gottes Geburt” (boże narodzenie) bezeichnet, da Katholiken an Heiligabend die Geburt Jesu, Gottes Sohnes, feiern. Aus diesem Grund kommt zu Weihnachten bei den meisten Familien nicht wie bei uns der Weihnachtsmann, sondern das Christkind (dzieciątko), oder aber auch der Sternenmann (gwiazdor) und in der Nähe von Weißrussland der Väterchen Frost (dziadek mróz).

Advent: Die Adventszeit (adwent) gilt als Erwartungs- und Vorbereitungszeit, in der man zwar fröhlich ist, aber dies nur auf eine besinnliche Weise zeigt. Weihnachtslieder (kolędy) werden erst zur Bescherung an Heiligabend gesungen. Für die Adventszeit gibt es spezielle Adventslieder. Außerdem ist der Advent für viele Polen eine Zeit des Fastens (meist ab 14 Jahren) und sie verzichten zum Beispiel auf Süßes, Fleisch oder Alkohol. (Schwer vorstellbar bei so viel duftendem Weihnachtsgebäck und anderen Leckereien, stimmt’s? Aber ich sag euch, das geht!) Mittlerweile haben viele polnische Städte die deutsche Tradition der Weihnachtsmärkte übernommen und auch der Adventskranz und -kalender sind in Polen verbreitet. Einen besonders schönen Weihnachtsmarkt findet man in Breslau (Wrocław). Im Gegensatz zu den Deutschen, dekorieren die Polen ihren Weihnachtsbaum, ebenfalls ein Brauch aus Deutschland, erst am Vormittag des Heilligabends.

Heiligabend: Der Heiligabend (wigilia) am 24. Dezember ist hierbei der wichtigste Teil des Weihnachtsfestes. An diesem Tag kommt die ganze Familie abends zusammen und es wird ein wahres Festmahl veranstaltet. Davor allerdings wird am 24. streng gefastet, den ganzen Tag kein Fleisch gegessen und Akohol getrunken und es ist nur eine sättigende Mahlzeit erlaubt.

  • Essen: Die Vorbereitungen für das Abendessen beginnen teilweise bereits Tage vorher, da bestimmte Gerichte lange garen, kochen oder ziehen müssen. Traditionellerweise besteht ein polnisches Weihnachtsessen aus 12 Speisen. Klingt viel… und ist auch viel. Jede dieser Komponenten steht dabei für einen von Jesu Jüngern bzw. einen Monat des nächsten Jahres und es muss von allem probiert werden, denn für jede ausgelassene Speise ereilt einen im nächsten Jahr ein Unglück mehr. Gegessen wird traditionell zuerst eine Suppe wie Barschtsch (barszcz) mit gefüllten Teigtaschen-Einlagen (uszka), Pilzsuppe (zupa grzybowa), Fischsuppe (zupa rybowa) oder Rosół, eine polnische Fleischbrühensuppe, meist mit Nudeln. Den 2. Gang bilden die ursprunglich russischen Piroggen (pierogi), Teigtaschen mit Kartoffel-Quark- oder Pilz-Kraut-Füllung, welche meistens mit Schmand oder in Butter gebratenen Zwiebeln gegessen werden. Ein weiteres weit verbreitetes Gericht sind Mohnnudeln bzw. Knödel/Klöße (kluski z makiem). Danach folgt als Hauptgang Fisch in den verschiedensten Variationen, gedünstet, gekocht, eingelegt, gebraten… Am häufigsten werden Süßwasserfische wie Karpfen (karp) und Hecht (sczupak) gegessen. Dazu gibt es Kartoffeln oder Klöße und auch Kraut gehört auf unterschiedliche Arten zubereitet zum feierlichen Abendessen. Das Dessert bildet zum Beispiel Frucht-Kompott aus Pflaumen (kompot sliwkowy) und unterschiedliche Mohnspeisen wie Mohnstrudel (strucla makowa) oder Mohnpielen (makówki – super lecker!). Danach gibt es natürlich auch Weihnachtsgebäck, ganz besonders beliebt sind Lebkuchen (pierniki).
  • Ablauf und Bräuche: Auch beim Decken des Tisches gibt es in Polen spezielle Bräuche. So wird zum Beispiel an einigen Stellen unter das Tischtuch etwas Stroh gelegt, welches an Jesus in der Krippe im Stall erinnern soll. In einigen Familien ziehen anschließend die Familienmitglieder Halme unter der Decke hervor und umso länger der Strohhalm ist, desto mehr Glück hat man im folgenden Jahr. Außerdem wird immer ein Gedeck zu viel auf den Tisch gestellt, welches für Jesus oder aber auch für einen Armen bereitsteht. Falls dieser klingeln sollte, wird er mit an den Tisch eingeladen, denn an Heiligabend soll niemand alleine sein. Das Abendessen beginnt, wenn der erste Stern am Himmel erscheint, meist gegen 17 bis 18 Uhr. Auf diesem soll angeblich das Christkind zur Erde gekommen sein. Vor dem Essen wird gebetet und das Lukasevangelium mit der biblischen Weihnachtsgeschichte vom Ältesten am Tisch verlesen. Im Anschluss werden vorher geweihte Oblaten (opłatki) untereinander gebrochen und Dank, Entschuldigungen und gute Wünsche verteilt. Danach geht’s ans Essen. Nachdem alle satt sind, und das kann einige Zeit dauern, werden die polnischen Weihnachtslieder (kolędy) gesungen. Die Kinder werden unter einem Vorwand weggeschickt und die Eltern können die Geschenke unter dem geschmückten Weihnachtsbaum deponieren. Kommen sie zurück, behaupten die Älteren, das Christkind wär gerade erst zur Türe raus. Den Abschluss von Heiligabend bildet ein gemeinsamer Kirchbesuch einer Mitternachtsmesse (pasterka).

1. und 2. Weihnachtstag: Die folgenden Weihnachtstage sind Familienzeit. Man bleibt meist unter sich und besucht weitere Verwandte. Es werden die Reste von Heiligabend gegessen und zusätzlich Fleischspeisen zubereitet. Ihr seht, in Polen ist Weihnachten eine Zeit voll Bräuche und Traditionen. Und das sich zusätzliche Pfunde nach so viel Essen nicht vermeiden lassen, ist ja wohl klar!

Hallo! Mein Name ist Olivia und ich habe dieses Jahr die Leitung der Schülerzeitung Apropos übernommen. In meinen Artikeln widme ich mich vorrangig Themen rund um den Fernöstlichen Raum, aktuelle News und Schulhilfen. Außerdem teile ich gerne meine Begeisterung für's Kochen und Backen hier und versorge euch mit Rezepten und anderen Foodie-Infos.

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