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Trump vs. Biden – ein Kommentar zu TV-Duell und Präsidentschaftswahl

“I am the least racist person in this room” – “Ich bin die am wenigsten rassistische Person in diesem Raum” – dieser Satz des aktuellen US-amerikanischen Präsidenten ist mir am stärksten aus der zweieinhalbstündigen Wahlkampfdiskussion am 23. Oktober zwischen Donald Trump und seinem Konkurrenten Joe Biden in Erinnerung geblieben. Was sich noch so in dieser spannenden Nacht ereignete erfahrt ihr hier.

Am 3. November wird gewählt in den USA. Es ist die wichtigste Wahl für die nächsten vier Jahre, denn es geht um die Position des 46. Präsidenten der Vereinigen Staaten und darum, wer der Nachfolger des amtierenden Amtsinhabers Donald Trump wird. Dieser gewann 2016 mit 306 Wahlmännerstimmen die Präsidentschaftswahlen gegen seine Konkurrentin Hillery Clinton. Seitdem stand er oft in der Kritik, vor allem durch seine wenig professionell klingenden Tweets, aber auch durch Vorwürfe von Sexismus und Rassismus. Seine charakteristische Mimik und Gestik, der spitze Mund, die orangene Haut und seine blonden Haare, die aussehen wie vom Wind frisiert, sind mittlerweile zu sein Markenzeichen geworden und werden nicht selten von der Satirebranche zu Belustigung der trumpkritischen Bevölkerung aufgegriffen. Schließlich bieten Aussagen wie “Es ist echt kalt draußen, die nennen das eine große Kälte, Wochen früher als normalerweise. Mann, wir könnten ‘ne ordentliche Portion Klimaerwärmung gebrauchen!” und “Wenn man die anderen Köpfe abhacken sieht, dann hört sich Waterboarding* doch gar nicht so schlimm an” genug Stoff für den ein oder anderen Lacher.

Trotz des durch die Medien in Deutschland oft negativ gezeichneten Bildes von Donald Trump, kann er sich erstaunlicher Weise nicht über mangelnde Wählerschaft beklagen. Das liegt daran, dass Trump vor seinem Job als Präsident eine Karriere als reicher Unternehmer vollführte und somit in seinen Gleichgesinnten, den wohlhabenden “Businessmännern”, seine Lieblingszielgruppe sieht. Denen kommt er dann zum Beispiel mit Steuersenkungen entgegen. Diejenigen aus den unteren Schichten die ihn wählen, tun dies vorrangig, weil sie von seinem Verhalten als dominanter Alphawolf überzeugt werden. Er weiß wie man redet, wie man überzeugt und Eindruck schindet, das muss man ihm lassen. Sein Steckenpferd ist die Wirtschaft, Trump geht es vor allem darum Profit zum machen, immer unter dem partiotischen Motte “Make America great again!” – “Machen wir Amerika wieder großartig!”. Für ihn gilt: America First – Amerika als Erstes.

Doch da wo es Unterstützer gibt, gibt es selbstverständlich auch Gegner. Durch seine aktive Politik gegen illegale Einwanderer und häufige rassistische, sexistische und homophobe Äußerungen machte er sich vor allem unter den Bürgern niedrigerer Schichten und unter jenen mit Migrationshintergrund viele Feinde. Sein Vorhaben eine Mauer auf Kosten der Mexikaner an der Mexikanisch-US-amerikanischen Grenze zu bauen, löste viel Empörung, vor allem unter Grenzgängern aus. Auch die “Black Lives Matters” sowie die LGBTQ+-Bewegung erstarkten unter seiner Regentschaft in den vergangenen Jahren und es kam zu Massenprotesten mit Todesopfern. Trumps Reaktion darauf war so kalt und von oben herab wie immer, als er twitterte “Wenn die anfangen zu randalieren, dann fangen wir an zu schießen” (orig. “When they start rooting, we start shooting.”).

Gehasst von den einen, geliebt von den anderen macht es vor allem das US-amerikanische Wahlsystem, welches nur von der Anzahl der Stimmen sogenannter “Wahlmänner” abhängt, schwer, die Wahlen des Präsidenten als Repräsentation der wahren Bevölkerungsmeinung anzusehen. Unabhängig davon wie viele Einzelpersonen Trump gut finden, zählt nur wo die den unterschiedlichen Wahlkreisen vorstehende Wahlmänner, die ebenfalls von den Bürgern gewählt werden, ihr Häkchen setzen.

Seit nunmehr 150 Jahren wird die Parteienlandschaft (auf Englisch übrigens tatsächlich “party landscape”) von zwei großen Parteien, den Republikanern und den Demokraten, dominiert. Kleinere Parteien haben da kaum Chancen. Schließlich geht es darum fast 330 Millionen (!) Menschen zum Wählen zu mobilisieren und die müssen ersteinmal erreicht werden. Das macht sich in den modernen Zeiten in denen die Meinungsbildung zu großen Teilen von Internet und Co. beeinflusst wird selbstverständlich besonders gut online. Gerade jetzt, im Jahr 2020, welches von Beginn an unter einer weltweiten Covid-19-Pandemie leiden musste, die in den USA die tiefsten Wunden riss, musste auf viele analoge Elemente des Wahlkampfes verzichtet werden und stattdessen online oder im Fernsehen stattfinden.

Es treten gegeneinander an: der Republikaner Donald Trump und der Demokrat Joe Biden (beide über 70 Jahre alt wohlgemerkt), sowie – eher weniger bekannt – die Liberale Jo Jorgensen und der Grüne Howie Hawkins und weitere Kandidaten, wie Kayne West, welche vernichtend kleine Chancen auf das Amt haben, einfach weil sie nicht genug Bekanntheit oder schlicht und einfach Geld für einen guten Wahlkampf haben.

Das erste TV-Duell zwischen den beiden fand am 29. September 2020 statt und wurde vor allem durch die persönlichen Angriffe der zwei Männer gegeneinander berühmt. Sätze wie “Kannst du mal die Klappe halten, alter Mann?” fielen – wobei beide Männer mit über 70 ungefähr gleich alt sind wohlgemerkt – und eine sachliche Diskussion war bei vielen Themen durch die verbal-boxkampfähnliche Debatte kaum möglich. Die zweite Debatte, welche für 15. Oktober 2020 angesetzt gewesen ist, musste verschoben werden, da Donald Trump kurz zuvor an Covid-19 erkrankt war. Was diesen allerdings nicht wirklich davon abhielt, kurz darauf wieder an die Öffentlichkeit zu gehen und weiter die Meinung zu vertreten, Corona wäre nix schlimmes, bald wieder weg, man solle sich ja keine Sorgen machen. Meiner Meinung nach sollte man sich bei 230.000 Toten – das wäre so, als würde die Hälfte der Leipziger Bevölkerung sterben – schon langsam Gedanken machen, ob die ergriffenen Maßnahmen nicht vielleicht doch nicht ausreichend sind…

Am 22. Oktober 9 Uhr amerikanischer Zeit war es dann schließlich so weit, der letzte Kampf der zwei “Großen” wurde live im Fernsehen und Internet übertragen. Hier in Deutschland war die Austragungszeit mit 3 Uhr morgens nicht sehr zuschauerfreundlich, doch was macht man nicht alles um gut informiert zu sein… So setzte ich mich also pünktlich um 3 vor meinen PC, machte den Stream an und ließ mich auf das ein was kommen würde. Ich hatte Trump noch nie zuvor wirklich reden hören, meine Meinung war hauptsächlich von der Berichterstattung deutscher Medien geprägt. Doch das, was ich an diesem Morgen hörte, bestätigte die Vorurteile leider nur.

Aus dem ersten TV-Duell gelernt, wurde dieses Mal eine neue Funktion eingeführt: den Präsidenten wurden Redezeiten gegeben und danach die Mikros einfach ausgemacht. So konnte der eine den anderen nicht einfach mal mit einem (nicht konstruktiven) Kommentar dazwischenfahren und auch die Verständlichkeit für die Zuschauer sollte hiermit gewährleistet werden. Ich weiß nicht, ob es an diesem kleinen Upgrade lag, oder daran, dass Trump von seinen Beratern geraten wurde ein bisschen ruhiger an die Sache heranzugehen um keine Wähler zu verschrecken, auf jeden Fall verlief die Debatte nicht so hitzig wie ich dachte.

Der Host – pardon – die Hostin, Kristen Welker, hat meiner Meinung nach einen guten Job gemacht und es geschafft die Streithähne von Anfang bis Ende einigermaßen in Schach gehalten. Nachdem sie jedem eine Frage gestellt hatte, hieß es “30 Sekunden, bitte” oder “Sie haben 1 Minute, Mr. President” und wenn einer Mal über seine Zeit redete brachte sie die Männer mit einem höflichen, aber energischen, “wir müssen weitermachen Gentlemen” zum schweigen. Anmerkungen zu dem, was das Gegenüber gesagt hat, ließ sie gerne zu – schließlich sollte es eine Debatte und keine Märchenstunde werden – und so wurde aus der Frage “Was würden Sie tun um Wahlbeeinflussungen aus anderen Ländern zu beenden?” schnell einmal Diskussionen darüber, wer wie viel Bestechungsgeld von welchem Land bekommen hätte. Natürlich stritten beide Kandidaten jegliche Korruption ab.

Nicht nur bei dieser Frage, sondern bei so gut wie jedem Themenbereich, schweiften sowohl Trump als auch Biden gerne einmal ab. Dennoch beantworteten Beide die wichtigsten Fragen zu aktuellen Problemen wir Immigration, Klimawandel, Waffengesetze und der Covid-19-Pandemie, jeder auf seine eigene Art. Man konnte gut beobachten, dass sie weniger die Strategie verfolgten “Ich lobe mich, sodass der andere schlecht darsteht” – zum Teil natürlich auch – aber größtenteils war es dann eher “Ich mach den anderen runter, damit ich besser dastehe”.

Ich weiß natürlich nicht, ob es daran liegt, dass ich durch die deutschen Medien voreingenommen Trump gegenüber war (und bin), aber auf mich machte Biden auf jeden Fall einen tauglicheren Eindruck als Präsident als Trump. Während letzterer größtenteils seine eigenen Vorzüge lobte, versuchte Biden sich auch an die Zuschauer und seine potenziellen Wähler zu wenden. Als die beiden die Aufgabe bekamen, sich in die Lage zu versetzen, sie hätten die Wahl gewonnen und würden eine Rede an alle halten, die sie nicht gewählt hätten, schoss Trump schließlich vollkommen am eigentlichen Ziel vorbei. Anscheinend nicht fähig sich ebendiese Situation vorzustellen, hackt er weiter auf Biden herum, anstatt sich in seiner Siegesrede über seinen Triumph zu freuen. Biden hingegen macht auch denen, die ihn nicht gewählt haben Hoffnung für sie als ihr Repräsentant da zu sein – sehr überzeugend meiner Meinung nach.

Und das seine Kompetenz auch von vielen Amerikanern anerkannt wid, kann man an dem Graph dieser Statistik deutlich erkennen. Laut aktueller Umfragen liegt Biden mit über 51% der Wählerstimmen 8% vor seinem Konkurrenten Trump, der momentan auf die Stimmen von knapp 44% der Amerikaner hoffen kann. Überwältigend groß kann man diesen Vorsprung auch nicht nennen, deswegen heißt es nun wohl einfach abwarten auf die Ergebnisse der Wahl, die bei uns wohl am Mittwoch morgen verkündet werden können.

Trotz der vielen Ausschweifungen und vermutlich auch dem harten Durchgreifen der Hostin zu verdanken, gelangten die zwei Präsidentenkandidaten pünktlich nach 2 Stunden Debatte zum Schluss. Im Nachhinein bin ich froh, mir das lange Wachbleiben und die 2h Englisch angetan zu haben, denn schlussendlich kann ich mir dadurch nun eine klarere Meinung über Trump bilden. Sollte euch der genaue Inhalt der Debatte auch interessieren, findet ihr auf YouTube den vollständigen Stream zum nachschauen. Viel Spaß!

* Foltermethode


Quellen:

  • Wetzel, Hubert: “Teils Faustkampf, teils Theaterstück“; entnommen aus: https://www.sueddeutsche.de/politik/us-wahl-tv-duell-donald-trump-joe-biden-1.5049876; 30.09.2020; entnommen am: 01.11.2020
  • k. A.: “Die Wahlen in den USA”; entnommen aus: https://wahl.tagesschau.de/usa2020/; k. D.; entnommen am: 01.11.2020

Hallo! Mein Name ist Olivia und ich habe dieses Jahr die Leitung der Schülerzeitung Apropos übernommen. In meinen Artikeln widme ich mich vorrangig Themen rund um den Fernöstlichen Raum, aktuelle News und Schulhilfen. Außerdem teile ich gerne meine Begeisterung für's Kochen und Backen hier und versorge euch mit Rezepten und anderen Foodie-Infos.

One Comment

  • Erik

    Gut recherchiert und dieses komplexe Thema anschaulich beschrieben. Die Website sieht auch schön auf. Ich bin sehr gespannt auf weitere Artikel.

    VG Erik

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